Datum/Zeit:
Datum - 23/11/2023
19:30 - 21:00
Ort:
GZ Loogarten, Badenerstrasse 658, 8048 Zürich
Kategorien:
Das philosophische Grundethos besteht darin, Offenheit gegenüber anderen Auffassungen und Zweifel an der eigenen Meinung zu bewahren und der Versuchung zu widerstehen, endgültige, absolute und totalitäre Wahrheitsansprüche aufzustellen, wie das ideologische und religiöse Dogmatismen tun. Stattdessen stellt die Philosophie das wahrheitssuchende Gespräch als offenen Prozess in den Vordergrund, das die Limitation der eigenen Kenntnisse anerkennt, jegliche Absolutheitsansprüche aufgibt und eine Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen hochhält. Zwar sind auch Philosoph:innen nicht vor dogmatischen Anwandlungen gefeit, aber dennoch gibt es ein starkes skeptisches Grundmotiv, dass den philosophischen Diskurs mitbestimmt.
Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob diese ethische Grundhaltung, die dem philosophischen Dialog entspricht und die auch ein Kennzeichen moderner Demokratien ist, in der alltäglichen Lebensbewältigung in der realen Welt, insbesondere jedoch bei drängenden Fragen von Leben und Tod zu einer Schwäche wird. Sei es, weil sie zur Zögerlichkeit verkommt, die unverzügliche Entscheidungen verpasst, sei es weil sie zur Haltlosigkeit verkommt, wenn es um klare Stellungnahmen geht, insbesondere gegenüber gewalttätigen Angriffen von autoritärer Seite. Die vielgepriesene postmoderne Ironie, die an einer hippen Vernissage oder einem Abendessen unter Freund:innen gelassene Souveränität ausstrahlen mag, scheint jedoch einer mit roher Gewalt auftretenden Wirklichkeit wenig entgegen setzen zu können. Dies wird insbesondere im Hinblick auf aktuelle (geo-)politische Auseinandersetzungen deutlich. Hier gewinnen zunehmend autoritäre Akteure an Einfluss, die ihr Handeln entweder von starren ideologischen oder religiös-fundamentalistischen Überzeugungen leiten lassen oder die die Macht schlicht um ihrer selbst willen verfolgen. Die demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Gesellschaften erweisen sich gegenüber solchen Angriffen als erstaunlich hilflos. Es scheint, als würde die politisch-philosophische Ethos, das diesen Gesellschaften zugrunde liegt und das man im weitesten Sinn als skeptischen und toleranten Liberalismus bezeichnen könnte, wenn es hart auf hart kommt, gegenüber undemokratischem Verhalten ziemlich wehrlos zu sein. Man könnte also zur Ansicht gelangen, dass sich die philosophische Grundhaltung nur so lange bewährt, wie sich alle Akteure gleichermassen daran halten.
Wie kann man das liberale philosophische Ethos der Offenheit und Skepsis damit vereinbaren, in gewissen Situationen entschlossen Stellung zu beziehen? Gibt es ein Kriterium dafür, wann man von der dialogischen Offenheit in so etwas wie die entschlossene Tat übergehen muss, und wenn ja, wie? Oder müsste man die Grundfrage vielleicht geradezu umkehren, indem man danach fragt, welche philosophische Haltung eigentlich nicht nur in der Theorie, sondern auch in der politischen Praxis gegenüber einem gewalttätigen ideologischen Dogmatismus oder schlicht nihilistischem Machtstreben standhalten kann ohne selber in diese abzugleiten?
Moderation: Imre Hofmann
Kosten: 20.-/15.- CHF
Keine Anmeldung nötig.